Nachdem das Recherche-Netzwerk Correctiv im Januar über ein Treffen von AfD-Mitgliedern in Potsdam berichtet hatte, formierte sich in ganz Deutschland Widerstand gegen menschenverachtende Abschiebefantasien und Ausgrenzung. In vielen Städten demonstrierten Menschen für den Erhalt von Vielfalt und Demokratie. Kaum vier Wochen später plante die AfD eine Veranstaltung in Bergisch Gladbach und wollte hierzu das Bürgerhaus Bergischer Löwe mieten. Den Verantwortlichen des Löwen gelang es, das Vorhaben zu unterbinden. Jedoch klagte sich die AfD dann ins Bürgerhaus in Kürten ein. Als klar war, dass man diese Veranstaltung nicht verhindern konnte, riefen verschiedene Organisationen und Bündnisse zur Gegendemo auf.
Zu Beginn war der Platz vor dem Kürtener Rathaus noch ziemlich leer und einzelne Beteiligte äußerten die Befürchtung, dass das so bleiben könne - zumal es zeitgleich eine ähnliche Kundgebung in Bergisch Gladbach gab. Aber gegen 17 Uhr füllte sich der Platz dann deutlich und die Menschen demonstrierten trotz garstiger Temperaturen und Nieselregen.
So viele Menschen, die sich bei Ekelwetter eingefunden haben, um für Demokratie und Vielfalt zu demonstrieren. Ich muss gestehen, dass ich zeitweise echt bewegt war. Wenn man öfter in den Sozialen Medien unterwegs ist, kann man zeitweise den Eindruck gewinnen, als gäbe es kaum mehr eine Mitte der Gesellschaft. Gerade das Genöhle von Rechts ist doch schon sehr präsent und "laut". Da war es sehr erfreulich zu sehen, dass sogar das kleine, eher konservative Kürten so viele Menschen mobilisieren konnte. Irgendwann musste sogar die Wipperfürther Straße gesperrt werden, um der Kundgebung mehr Platz zu geben.
Für mich persönlich war die Veranstaltung ein Wechselbad der Gefühle. Als Pressefotograf durfte ich die Absperrung zum Innenbereich, also dort, wo die AfD-Mitglieder waren, passieren. Den Gegensatz kann man kaum in Worte fassen. Auf der einen Seite mehrere Hundert friedliche Menschen, die für Demokratie und Toleranz demonstrieren und auf der anderen Seite eine Gruppe von Leuten, die sich darüber lustig machten und teilweise versuchten, die Menge mit provozierenden Gesten aufzubringen. Erfreulicherweise wusste die Polizei dieses provokante Verhalten zu unterbinden und wies die Agitatoren schnell in die Grenzen.
Schon der ganze Nachmittag hatte mich mit all seinen Eindrücken und Gegensätzen berührt. Aber so richtig durchgeschüttelt hat es mich, als es dunkel war und alle Reden gehalten waren. Es wurde Musik gespielt und dabei entwickelte sich eine Stimmung wie man sie vielleicht von Arsch huh-Veranstaltungen in Köln kennt. Eine Mischung aus Entschlossenheit, Trotz, Zusammenhalt und Karneval. Als dann auch noch "Arsch huh, Zäng ussenander" gespielt wurde, dachte ich, dass der Höhepunkt des Nachmittags erreicht sei.
Aber das Gänsehaut-Feeling wurde noch getoppt. Nämlich als "Der Stammbaum" von den Bläck Fööss angestimmt wurde. Ich lief zur Bühne weil ich vermutete, dass sich bestimmt ein tolles Foto ergeben würde. Als ich an der Bühne angekommen war und die Menge von oben sah, fehlten mir die Worte. Und das Fotografieren hätte ich auch fast vergessen. Der ganze Platz sang mit, schunkelte und leuchtete. Was für eine wunderbare und friedliche Botschaft...
"Su simmer all he hin jekumme. Mir spreche hück all die selve Sprooch. Mir han dadurch su vill jewonne. Mir sin wie mir sin. Mir Jecke am Rhing. Dat is jet wo mir stolz drup sin"
Naja, eigentlich möchte ich hier gar nicht zu politisch werden. Schließlich soll es in diesem Blog ja um Fotos gehen. Ich möchte einfach in einer Gesellschaft leben, in der sich Menschen
gegenseitig respektieren - egal ob schwatz, ob ruud, ob wies. Egal ob Männlein, Weiblein oder irgendwas anderes. Egal ob schwul, hetero oder lesbisch. Egal ob stark oder schwach, reich oder arm.
Egal ob behindert oder nicht.
Und ich muss gestehen, dass ich keinerlei Verständnis für Personen oder Parteien habe, die Unterschiede darin machen. Personen die denken, dieser oder jener Mensch sei mehr wert oder habe das
Recht, über andere zu bestimmen oder zu richten. Besonders schwer im Magen liegt mir, dass es eine Partei gibt, die es sich augenscheinlich zum Ziel gemacht hat, unsere Demokratie und unsere
offene Gesellschaft zu zerstören. Hass macht hässlich, wie man übrigens auf einem Foto, etwas weiter oben, sehen kann.
Seid nett zu einander! :-)
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